Magendrehung - Torsio ventriculi
Das Wort Magendrehung oder MD löst bei den meisten Doggenbesitzern Panikreaktionen aus, dabei kann dieses Problem bei jedem Hund, vor allem jedoch bei großen Hunden, auftreten. Erschreckend ist die Häufigkeit beim Bloodhound oder der Dogge ca. 30 %, grossen Windhunden oder Collies 20 %, beim Irish Wolfhound 18 %, beim Neufundländer 8 %, beim Bernhardiner 6 % oder beim Rottweiler 4 %.
Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen. Zudem steigt das Risiko einer Magendrehung mit zunehmendem Alter (Glickman et al., 2000).
"Um es vorab zu sagen, die Wertung der Faktoren, die zu einer Magendrehung führen können, ist auch heute noch Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung."
Wie kann man sich eine Magendrehung vorstellen
Der Magen hat die Form eines Beutels, der im Bauchraum aufgehängt ist und zwar vorne an der Speiseröhre, die durch das Zwerchfell kommt und hinten am Zwölffingerdarm, der dann weiter in den Dünndarm führt.
Zunächst kommt es zu einer Aufblähung (Dilatation) des Magens, der dann eine Verdrehung (Torsion) in aller Regel um die Längsachse im Uhrzeigersinn folgt. (Blackburn et al., 1944; Wingfield et al, 1997).Der Magenausgang schlingt sich im Extremfall förmlich um die Speiseröhre.Oft dreht sich der Magen spontan wieder zurück, was natürlich bei der Diagnosefindung Probleme aufwirft.
Die Folge dieser Drehung ist ein Verschluss am Magenein- und Magenausgang, der Magen gast weiter auf. Die begleitenden Blutgefäße werden ebenfalls abgeschnürt, was sehr schnell zu einer Unterversorgung der Magen- und Darmwände führt,dieser Gewebetod (Nekrose) führt zu Vergiftungen im Körper.Ein weiteres Problem ist die Minderversorgung des Herzens was Herzrhythmusstörungen auslösen kann, in Verbindung mit der Blutvergiftung (Toxinen) wird ein Kollaps und damit Kreislaufversagen des Hundes eingeleitet. Durch die Behinderung der Atmung kommt es zusätzlich zu einem zunehmenden Sauerstoffmangel des ganzen Körpers, was letztendlich zum Tode führt.
Der hier beschriebene Ablauf ist natürlich nicht immer gleich, sondern schwankt je nach Ausmaß der Drehung.
EINE MAGENDREHUNG IST IMMER EIN ABSOLUTER NOTFALL
Ohne sofortige Operation führt sie innerhalb weniger Stunden zum Tode.Leider ist mit einer erfolgreichen Operation das Bangen um seinen Hund noch nicht vorbei, denn oft sterben operierte Tiere in den ersten zwei Tagen nach der Operation an einer Blutvergiftung oder Herzversagen.
Wie erkenne ich eine Magendrehung?
Die Magendrehung ist ein solch negatives Erlebnis, das man niemals in seinem Leben vergessen wird. Hunde, die eine Magendrehung haben, zeigen meist einen gespannten und aufgeblähten Bauch mit deutlichen Wölbungen nach beiden Seiten. Klopft man gegen diese Wölbung, klingt es wie auf einer Trommel. Der Hund ist schlapp, unruhig, speichelt vor sich hin, hechelt und will, leider erfolglos, erbrechen.Wasser kann nicht mehr aufgenommen werden, bzw wird sofort wieder von sich gegeben, da ja der Zugang zum Magen durch die Drehung verschlossen ist. Der Bauch bläht sich zunehmend weiter auf, man kann dieses Aufgasen förmlich beobachten.Zur Entlastung des Bauchraumes nehmen manche Hunde eine so genannte Gebetsstellung ein, d.h.die Vorderläufe liegen flach auf dem Boden und das Gesäß wird in die Luft gestreckt.
Jetzt geht es um Minuten!
Je schneller das Tier in die Hände eines erfahrenen Tierarztes kommt, um so größer sind die Überlebenschancen. (Beck et al, 2006).
Zunächst wird der Tierarzt eine Schockbehandlung mit Infusionen und Medikamenten durchführen.Wie wichtig eine solchen Behandlung ist, erkennt man daran, dass bis zu 7 Liter Infusionsflüssigkeit im Sturz bei einer ausgewachsenen Dogge in den Kreislauf gepumpt werden , das führt zu einer besseren Durchblutung, Stabilisierung des Blutdruckes und die Entgiftung durch die Nieren kommt wieder in Gang.
Nun erfolgt der nächste Schritt. Druckminderung des Magens.
Hier wird nach aseptischer Vorbereitung eine dicke Kanüle in die seitliche Bauchwand eingestochen, um die Luft im Magen entweichen zu lassen, damit wird der Druck auf die Organe und Gefäße reduziert und natürlich die Durchblutung im Körper drastisch verbessert.
Durch diese beiden Sofortmaßnahmen hat man Zeit gewonnen.
Jetzt kann eine Röntgenaufnahme des Bauches durchgeführt werden. Die Magenumrisse ähneln mit der Luftansammlung einem "Boxhandschuh". Der Sinn dieser Röntgenaufnahme ist andere Ursachen, wie Fremdkörper im Magen, Magenüberlastung oder auch Tumoren, auszuschliessen.
Jetzt kann die absolut notwendige Operation durchgeführt werden. Natürlich kann auf die Punktion des Magens verzichtet werden, wenn der Tierarzt bildlich schon am Operationstisch steht. Wie schon erwähnt, spielt die Zeit eine enorme Rolle, aber auch Schockzustand, Herzrhythmusstörungen, Bewußtlosigkeit sind Faktoren, die die Prognose erheblich verschlechtern.
Operation einer Magendrehung
Durch die schon abgelaufenen Notfallmaßnahmen kann der Hund sofort in Narkose gelegt werden,dies erfolgt durch Intubation (es wird ihm ein Schlauch zur Beatmung von der Schnauze in die Luftröhre gelegt)So kann kein Mageninhalt in die Luftröhre gelangen, denn man versucht nun dem Magendruck noch weiter zu mindern, indem man einen Plastikschlauch (Magensonde) über die Speiseröhre in den Magen legt.Wenn dies erfolgreich ist, kann der Mageninhalt, ohne operative Eröffnung des Magens, entleert werden.Die eigentliche Operation besteht im Eröffnen des Bauchraumes, dann dreht man den Magen in seine richtige Position zurück, wobei Luft und Fressensreste über die Speiseröhre entweichen, sollte das Legen der Magensonde nicht erfolgreich gewesen sein. Nachdem der Normalzustand wieder hersgestellt wurde,wird die Bauchhöhle genau inspiziert.Gewebeschäden müssen entfernt werden, das können auch Teile vom Magen,Darm oder auch die gesamte Milz sein.
Das Risiko, der befürchtete Rückfall(Rezidiv) wird durch das Annähen des Magens an die Bauchinnenseite (Gastropexie) möglichst klein gehalten, hierzu gibt es veschiedene Techniken, die ein erneutes Drehen verhindern sollen.Ohne dies Fixierung kommt es in 80% der Fälle (Dann,1976) zu Rezidiven, nach korrekter Gastropexie nur bei 5%(Glickman et al., 1998). Diese enorme Differenz fordert förmlich eine Operation heraus, selbst wenn der Magen sich von selbst zurückgedreht hat.
Zum besseren Verständnis habe ich mal die wichtigsten Magen-Fixierungstechniken aufgeführt
1. Linea-alba-Gastropexie;
2.Inzisions-Gastropexie;
3. Circumcostale Gastropexie;
4. Belt-Loop-Gastropexie;
Nach der operativen Reposition des Magen wird eine Gastropexie (Magenbefestigung an der Bauchdecke/wand) empfohlen. Man konnte nämlich nachweisen, dass sich dadurch die 1 Jahres-Überlebenszeit erheblich verbesserte(Eggertsdottier et al 1996) Mit einer Gastropexie lag diese bei 81% , ohne Gastropexie bei 29%. Diese Zahlen sprechen eigentlich für sich. Im Laufe der Jahre wurden einige Operationsmethoden entwickelt, deren Hauptziel es ist , den Magen dauerhaft zu fixieren, ohne seine Funktion und natürlich auch der anderen Bauchorgane negativ zu beeinflussen,
Die einfachste und schnellste Methode, die sich bei der MD-Operation anbietet, ist die Linea-Alba-Gastropexie (Meyer-Lindenberg 1993) Der Bauchraum wird in Längsrichtung bei einem auf dem Rücken liegenden Hund eröffnet, nach Reposition des Magens, werden die äusseren Schichten der Magenwand am oberen Bauchwandverschluss mit eingenäht. Also hängt der Magen, bei dem so liegenden Hund, an der Bauchdecke.( Diese Information muß dem Hundebesitzer gegeben werden, damit bei einer späteren Bauchoperation nicht unbeabsichtigt der Magen eröffnet wird ) Stellt euch vor, ihr legt die Handflächen bei leicht gebeugten Fingern wie zum Gebet aufeinander und haltet so einen schlaffen Luftballon, der nach unten hängt , fest.. Sollte die Rückverlagerung des Magens nicht vollständig erfolgen oder es zu einer zu kurzen Fixationsnaht kommen, treten postoperative Komplikationen auf, z.B Ausreißen der Naht, keine stabile Vernarbung und damit das Risiko eines Magendrehungsrezidivs.
Bei der Inzisions-Gastropexie wird an der Innenseite der re Bauchwand unterhalb des Rippenbogens ein Schnitt bis in die Muskulatur angelegt, ein weiterer Schnitt erfolgt an einer bestimmten Stelle in die Aussenschicht des Magen .Beide „Wunden“ werden nun miteinander vernäht.(Mac Coy et al 1982)Aus verständlichen Gründen benutzt man hier ein Nahtmaterial was nur sehr langsam resorbiert wird. Diese Methode wird auch von den Autoren als prophylaktische Methode empfohlen.Vorteil: Schnelle Durchführung,Risiko einer Mageneröffnung gering und gute dauerhafte Fixation.
Bei der Circumcostalen Gastropexie, erstmals 1982 an gesunden Hunden durchgeführt (Fallah et al. 1982) werden durch Präparation von muskulären „Flügeln“ am Magen diese „Flügel“ am Rippenknorpel vom Bauchraum her fixiert.Vorteil: sehr hohe Festigkeit, schnelle Operationstechnik, fast physiologische Lage des Magens
Die Gürtelschlaufen (Belt loop) Gastropexie wird 1989 erstmals von Whitney et al beschrieben, sie soll die Nachteile der bisherigen Techniken minimieren.Sie lehnt sich in ihrer Ausführung der zirkumkostalen Gastropexie an, allerdings wird ein „Flügel“ durch eine Muskeltasche an der Thoraxwand wieder zum Magen zurückgeführt und dort vernäht.
Laparoskopisch (minimalinvasiv) geführte Gastropexien verglichen mit einer mittels Laparotomie durchgeführten Gastropexie (HARDIE et al. 1996; WILSON et al. 1996) wurden früher als instabiler angesehen. Bei der laparoskopisch geführten Gastropexie wird das Antrum pyloricum ( Magenausgang) an die Bauchwand sicher angeheftet.
Dies wird auch bei der in Amerika verbreiteten prophylaktischen Gastropexie angewendet(RAWLINGS et al. 2001; RAWLINGS et al. 2002).
Natürlich gibt es noch weitere Operationsmethoden, diese können auch untereinander kombiniert werden..Je nach Situation, Alter des Hundes ,cardiale Erkrankungen, gewebliche Veränderungen der Magenwände, Milzschädigung usw. wird der Operateur natürlich bedacht sein diese Operation so schnell als möglich zu einem guten Abschluss zu bringen, vor allem auch mit Blick auf stabile Fixierungsverhältnisse. Daher hat ein Hund, der sich dieser notfallmäßigen Operation unterziehen muß bei einem versierten und routinierten Tierarzt höhere Überlebenschancen.
Nachbehandlung
Die Nachbehandlung besteht in einer intensiven Überwachung des Herz-Kreislaufsystemes,Verabreichung von Schmerzmitteln, Antibiotika und Flüssigkeit (Infusionen).Nach etwa 1 Tag beginnt man mit kleinen Futtermengen und kontrolliert die Verdauung.Treten keine Komplikationen auf, steht einer Rückkehr in die gewohnte Umgebung nichts im Wege.Nur sollte man die Empfehlung des Tierarztes sehr ernst nehmen und sich danach richten, denn ein solcher Eingriff entkräftet, selbst einen vorher durchtrainierten Hund erheblich
Wie kann man vorbeugen (Prophylaxe)
Die Futtertopf sollte auf dem Boden stehen, mindestens 2-3 Mal/Tag füttern, nach der Fütterung den Hund nicht zu intensiv bewegen lassen
Hier finden sich einige bekannte Risikofaktoren:
Deutsche Doggen stehen in der Statistik an erster Stelle eine Magendrehung zu erlangen (Quelle: hundezeitung.de)
-Stress, ängstliche und nervöse Hunde, Hunde, die hastig schlingen
-große Futtermengen auf einmal, zu fetthaltiges Trockenfutter, angefeuchtetes ascorbinhaltiges (Vitamin C)Trockenfutter
- ältere Hunde mit gelockerten Bindegewebe
- Magendrehung bei Eltern und Geschwistern, also genetische Komponente
Eine Garantie ist auch bei Ausschluß dieser Risikofaktoren nicht gegeben, denn es treten z.B. auch Magendrehungen bei nüchternen, bei schlafenden, bei ruhigen Hunden auf,
Allerdings sollte man nicht mit einem Hund züchten, der bereits eine Magendrehung überstanden hat oder in dessen naher Verwandtschaft eine solche Erkrankung aufgetreten ist.
Welche Rassen sind besonders häufig betroffen:
- Deutsche Dogge
- Irish Wolfhound
- Deutscher Schäferhund
- Berner Sennenhund
- Mischlinge
- Dobermann
- Briard
- Bernhardiner
- Neufundländer
- Landseer
- Rottweiler
Zusammenfassung:
Die Magendrehung bei deutschen Doggen ist mit eine der häufigsten Todesursachen, nach der Statistik trifft es jedes zweite Tier.Wenn es zu diesem Notfall kommt, ist es das Wichtigste die Ruhe zu bewahren und dies auch dem Tier zu vermitteln.Sofort den Tierarzt per Telefon informieren und den Verdacht auf eine Magendrehung äussern. Im besten Fall hat man sich schon vorher einen Tierarzt ausgesucht, der auch den operativen Eingriff durchführen kann.(Ich halte dies auch im Urlaub mit Hund für absolut notwendig), dessen Telefonnummer griffbereit und den kürzesten Fahrweg dorthin im Kopf. Dort ange- kommen, überlassen sie Alles dem dortigem Team, nichts nervt ,bei allem Verständnis,in solchen Situationen mehr als aufgescheuchte und nervöse Hundebesitzer. Das Tier ist dort in besten Händen und es wird alles getan um ihren Liebling zu retten, allerdings sind solche Eingriffe nicht in wenigen Minuten erledigt. Ihr Tier wird mit Sicherheit stationär in der Klinik bleiben müssen, da eine Nachkontrolle und Überwachung unbedingt erforderlich ist, also haben Sie Verständnis für eine Trennung über mehrere Tage. Halten Sie sich an die Anweisungen ihres Tierarztes!
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass es nie zu diesem Notfall kommen wird
- Geschrieben von Wolfgang Kirst